Löhleins Tierleben

Afrikanischer Wildhund
Lycaon pictus

Illustration:
Hans Schumacher

Verbreitung:

Afrika, südlich der Sahara
Systematik: Raubtiere, Hunde
Lebensraum: wildreiche Savannen-, Steppen- und lichte Waldgebiete
Nahrung: überwiegend mittelgroße Gazellen und Antilopen
Besonderheiten: sehr variable Färbung, ausgeprägtes Sozialverhalten, äußerst erfolgreicher Jäger
Geschlechtsreife: mit 1 1/2 Jahren
Trächtigkeitsdauer: ca. 10 Wochen
Jungtiere: 6-15
Höchstalter: 11 Jahre
Körpergewicht: ca. 25 kg
Kopf-Rumpf-Länge: 75 bis 100 cm
Lebensweise: Leben und jagen in dauerhaften Rudeln, große Jagdgebiete
Feinde: Hyänen, Adler (nur für Jungtiere gefährlich)
Gefährdung: Lebensraumzerstörung, Seuchen, Bejagung
Bestand: vom Aussterben bedroht (in 19 von ehemals 32 Ländern bereits ausgestorben)

Die beliebteste Attraktion im Winter ist in Hellabrunn jedes Jahr die gleiche: Der tägliche Spaziergang der Pinguine.
Doch dieses Jahr zog eine zweite Tierart die Besucher genauso an: Die Afrikanischen Wildhunde. Am 17. Oktober 1999 brachte Wildhundmutter „Sarabi“ erstmalig acht Welpen auf die Welt. Innerhalb kürzester Zeit entwickelten sich die quicklebendigen Wildhundkinder zu den Lieblingen der Münchener Tierparkbesucher.

Sarabi nahm ihren ersten Wurf leider nicht an. Deshalb musste Tierpfleger Michael Pasch als Ersatzmutter einspringen. Er zog die sieben weiblichen und einen männlichen Wildhund mit der Flasche auf. Inzwischen haben sich die schnell wachsenden Wildhunde aber schon auf feste Nahrung umgestellt. Spielerisch haben sie schon im Alter von wenigen Wochen an Fell- und Fleischfetzen von Kaninchen und anderen Futtertieren gezerrt. Feste Nahrung nahm in den folgenden Wochen dann einen immer größeren Anteil der Ration ein. Die Entwöhnung findet bei Afrikanischen Wildhunden mit ca. 10 bis 12 Wochen statt. Und inzwischen fressen sie nicht nur Fleisch, sie jagen einen Teil davon sogar selbst. Denn bei schönem Wetter findet täglich um 15.00 Uhr die Fütterung am Beutesimulator statt. Und das ist wirklich spektakulär. Über der Freianlage ist im Rechteck ein Seil gespannt, an das Futterstücke gehängt werden.

Mit einem Elektromotor wird das Seil angetrieben. Der Tierpfleger steuert Richtung und Geschwindigkeit der durch das Gehege sausenden „Beute“. Die Möglichkeit der Steuerung in beide Richtungen ist wichtig, da die Wildhunde sonst lernen, auf der einen Seite des Geheges einfach darauf zu warten, dass die Beute vorbeikommt und sie dann vom Seil zu pflücken. So aber müssen sie die Beute erst hetzen, bevor sie „erlegt“ wird. Und dass sie daran großen Spaß haben, sieht man auf den ersten Blick. Wenn die Tierpfleger am Nachmittag in die Nähe der Steuerung des Beutesimulators kommen, können es die jungen Wildhunde kaum noch erwarten. Von ihrem jugendlichen Übermut und einer Portion Futterneid getrieben, rasen sie der Belohnung am Beutesimulator hinterher, als hätten sie lange Zeit nichts mehr zu fressen bekommen. Man sollte sich dieses Spektakel beim nächsten Tierparkbesuch auf keinen Fall entgehen lassen!

Auch in der Natur jagen Afrikanische Wildhunde gemeinsam. Sämtliche Rudelmitglieder sind an der Jagd beteiligt, außer denen, die mit der Jungenaufzucht beschäftigt sind. Ein Wildhundrudel (Pack) besteht heutzutage aus durchschnittlich 6 bis 15 Tieren. Die Beutetiere unterscheiden sich je nach Lebensraum. Meist handelt es sich aber um mittelgroße bis große Huftiere, wie z. B. Thompsongazelle, Impala, Kudu und Gnu, die auf Sicht, nicht nach dem Geruch angegriffen werden.

  Zunächst suchen sich die Wildhunde ein Opfer aus einer Herde aus, meist ein schwächeres oder abseits stehendes Tier.
Als nächstes versuchen die Wildhunde es von der Herde zu trennen. Das Beutetier wird dann gehetzt, bis die Wildhunde es eingeholt haben. Afrikanische Wildhunde können mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h rennen, und nur 9 von 10 Jagdversuchen haben Erfolg. Die Rudelmitglieder beißen sich nun am Beutetier fest und reißen ihm die Eingeweide heraus. Dies mag uns grausam erscheinen, jedoch spüren die Beutetiere zu diesem Zeitpunkt wohl keinen Schmerz mehr, da sie unter Schock stehen und körpereigene, schmerzstillende Morphine (Endorphine) im Blut zirkulieren.

Eine echte Besonderheit Afrikanischer Wildhunde ist, dass sie nach der Jagd kaum Aggressionen am Riss zeigen. Jungtiere dürfen sich sogar als erste satt fressen. Wildhunde schlingen ihre Beute schnell und in großen Stücken herunter, bevor stärkere Beutegreifer wie Löwen und Hyänen sie von der Beute vertreiben. Sind die Jungtiere noch zu klein, um zum Riss zu kommen, würgen die Alttiere beiderlei Geschlechts ihnen am Bau Fleischstücke hervor. Auch verletze und alte Packmitglieder werden gefüttert und können so trotz ihrer Unfähigkeit zu jagen überleben. Voraussetzung ist aber, dass sie in der Lage sind, dem während eines Großteil des Jahres nomadisch lebenden Rudel folgen zu können.

Nur durch das Zusammenspiel der Gruppenmitglieder bei der Welpenaufzucht ist es möglich, so große Würfe, wie sie bei Wildhunden üblich sind, erfolgreich aufzuziehen. Denn ein Wurf von acht Welpen, wie zur Zeit in Hellabrunn, ist keine ungewöhnliche Wurfgröße. Meist werden zwischen sieben und zehn Jungtiere geboren und sogar Wurfgrößen von 15 Jungtieren sind beschrieben.

Damit das Rudel die Bereitstellung der notwendigen Nahrung schafft, bekommt aber in der Regel nur das ranghöchste Weibchen Junge. Vater ist der ranghöchste Rüde. Beide Geschlechter haben eine eigene, lineare Rangordnung. Wenn doch einmal zwei Weibchen desselben Rudels Junge haben, versuchen sie sich gegenseitig die Welpen zu stehlen oder zu töten. Dabei verliert das rangniedrigere Weibchen oft ihren kompletten Wurf.

Innerhalb eines Rudels sind die Tiere eines Geschlechts miteinander verwandt. Die Männchen bleiben in dem Rudel, in dem sie geboren sind, die Weibchen ziehen zu einem neuen Rudel. Erst ab diesem Moment, ab dem die Weibchen um das Zuchtrecht konkurrieren, entstehen die Aggressionen und damit die Rangordnung. Nicht selten werden andere Weibchen des Rudels auch getötet oder vertrieben. Das Sozialsystem der Wildhunde ist damit gerade anders, als wir es von vielen anderen Tierarten kennen.

Ein Vergleich zum Gesellschaftsleben der Löwen: Wildhunde leben in festen Gruppen aus verwandten Männchen (Löwen: Weibchen). Söhne bleiben bei ihren Vätern und Onkeln (Löwen: Töchter bleiben bei ihren Müttern und Tanten). Weibchen verlassen die Gruppe, um woanders zur Fortpflanzung zu gelangen (Löwen: Männchen verlassen die Gruppen). Aggressionen zwischen Weibchen sind schärfer als zwischen Männchen (Löwen: Aggressionen zwischen Männchen schärfer). Mehr Männ hen überleben bis zur Geschlechtsreife als Weibchen (Löwen: mehr Weibchen überleben).
 

  Obwohl die Rollen vertauscht sind, bleibt das Ergebnis das gleiche: Die Aufzucht einer möglichst großen Anzahl von Nachkommen.
Da die Männchen bei der Jungenaufzucht helfen und es mehr Männchen als Weibchen gibt, wird die Zahl des Nachwuchses durch ihren Einsatz bei der Aufzucht bestimmt. Die Männchen sind der begrenzende Faktor und die Weibchen kämpfen darum, dass ihr Nachwuchs aufgezogen wird und nicht der ihrer Konkurrentinnen.

Zoologisches:
Der Afrikanische Wildhund oder Hyänenhund ist eine von 30 Wildhundearten. Er lebt in den offenen Gras- und Buschlandschaften Afrikas südlich der Sahara. Zur Zeit der Jungenaufzucht sind die in Rudeln lebenden Wildhunde ortstreu, während sie das übrige Jahr Streifgebiete von 500 bis 1500 qkm Größe bewohnen. Der Bestand der tagaktiven Jäger hat in den letzten Jahrzehnten dramatisch abgenommen. Heute wird der Hyänenhund als eine der gefährdetsten Säugetierarten Afrikas eingeschätzt.

Körperliche Auffälligkeiten sind die großen, runden Ohren (die Aufgaben im Sozialverhalten und bei der Thermoregulation übernehmen) und die bunte, individuell sehr unterschiedliche Färbung. Mit durchschnittlichen 25 kg Körpergewicht und einer Schulterhöhe von bis zu 78 cm handelt es sich um eine relativ große Wildhundart.


Text und Bild Wolfgang Löhlein